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Griechisch Delta
Vierter Buchstabe mit dem Zahlenwert 4
In der Beschreibung von Vitruv (Marcus Vitruvius Pollio), römischer Architekt und Ingenieur unter Julius Cäsar und Kaiser Augustus, in seiner De architectura:
"Es gibt drei Klanggeschlechter - modulationum genera.
Das erste nennen die Griechen das Harmonische, das zweite das Chromatische und das dritte das Diatonische. [...]
Diese drei Klanggeschlechter entstehen aus der verschiedenen Einrichtung der Tetrachorde.
Denn das harmonische Tetrachord ist in zwei große Töne [dem Ditonos] und zwei Diesis geteilt. (Eine Diesis ist der vierte Teil eines großen Tons [dem Tonos]; sodass in einem kleinen Tone zwei Diesis enthalten sind: Auf dem chromatischen stehen zwei kleine Töne hintereinander und das dritte Intervall ist von drei kleinen Tönen: Das diatonische hat zwei aufeinander folgende große Töne, und ein dritter kleiner Ton beschließt des Tetrachords Umfang. Also bestehen bei allen drei Klanggeschlechtern die Tetrachorde [in der Intervallabfolge abwärts betrachtet - von oben nach unten*] aus zwei großen Tönen und einem kleinen Tone**; nur dass sie, wenn sie in den Schranken eines jeden Geschlechts insbesondere betrachtet werden, eine verschiedene Einteilung der Intervalle haben.
Es hat solchergestalt die Intervalle der großen und kleinen Töne auf den Tetrachorden die Natur in der [menschlichen] Stimme angegeben; und hat ihren Umfang nach Maaß und Anzahl der Intervalle, ihre Eigenschaften aber nach gewissen Verhältnissen bestimmt. Nach diesen Naturgesetzen in der Harmonie, richten sich auch die Instrumentenmacher bei Verfertigung der Instrumente, und geben ihnen die zu dem Concent *** gehörige Vollkommenheit."
(Vitruv - Marcus Vitruvius Pollio: De architectura libri decem (10 Bücher über Architektur), 5. Buch, 4. Kapitel Harmonik, in der Übersetzung von August Rode, Leipzig 1796)
https:en.Wikipedia.org/wiki/Vitruvius
* In der Antike wurden die musikalischen Intervalle von oben nach unten aufgebaut.
** Kleiner Ton = ein sog. Halbton. Großer Ton = ein sog. Ganzton. (S. Telemanns "Neues musikalisches System).
*** Eintracht der Klänge.
NB! Ein Tetrachord setzt sich aus 4 Klängen oder 3 Tönen zusammen.
In Zahlen dargestellt: 0 1 2 3
Falsche Tetrachorde:
Der harmonische 7. Teilklang,
der in unendlicher Folge - nach den Regeln des Einmaleins - eine neue Naturklangskala innerhalb der ursprünglichen aufbaut:
(Siehe auch Archiv 1: "Vom Wunder der musikalischen Natur- Dem Modus Tromba" Archiv 1)
Die drei antiken Klanggeschlechter - modulationum genera - in der Praxis
Im Zeichen der Wiederentdeckung der 10 Bücher über Architektur von Vitruv:
"Zu Florenz* fand ich das Clavicin [Cembalo] des [Gioseffo] Zarlino [1517-1590], dessen er in seinen Harmonischen Institutionen, pag. 140, erwähnt. Zarlino hatte dieses Instrument erfunden, um die Temperatur [Stimmung] der drei Klanggeschlechter [modulation genera], des diatonischen, chromatischen und enharmonischen [harmonischen], genau anzugeben; es ward unter seiner Aufsicht 1548 von Domenico Pesarese verfertigt [...] Ich habe Zarlinos Unterricht wie es zu stimmen, von seiner eigenen Handschrift auf der Rückseite des Vorderbrettes befindlich, abgeschrieben ..."
(Charles Burney: Tagebuch einer musikalischen Reise, deutsche Ausg. Hamburg 1772)
* Florenz ist die Wiege der Renaissance und das Zentrum der Wiedergeburt der Antike.
Friedrich der Große und die drei antiken Klanggeschlechter
Die Traversflöte von Friedrich dem Großen war mit
zwei Klappen ausgestattet zum Realisieren der beiden unterschiedlichen Klänge Dis und Es. Eine Erfindung seines Lehrers Johann
Joachim Quantz. Der Abstand zwischen einem Dis und Es entspricht einem Viertelton. Telemann nennt
dieses Intervall einen "kleinsten Ton" oder eine "Secunda minimum".
Dis contra Es oder Es contra Dis praktisch angewandt:
Die Unterschiede zwischen den Klängen "Dis" und "Es" sind auf dem Klavier nicht realisierbar. Denn beide Klänge werden auf der entsprechenden Taste, nämlich der vierten (schwarzen) Taste aufwärts von der C-Taste, miteinander vermischt. Diese schwarze Taste kann also "Dis" oder "Es" bedeuten. Die Musiktheorie nennt dies "Umdeuten" resp. "enharmonisch Verwechseln". Auf der Violine dagegen wird das "Dis" auf der G-Saite mit dem 3. Finger und das "Es" mit dem 4. etwas höher gegriffen. Der König wiederum hatte für die Unterscheidung beider Klänge auf seiner Flöte besagte Dis- und Es-Klappen.
Harmonische Klänge sind auf dem Klavier nicht ausführbar, weil aus spieltechnischen Gründen das harmonische Klanggeschlecht auf
Tasteninstrumenten grundsätzlich ausgespart wird.
Telemann über Johann Kuhnau:
Hierbey ist nicht zu vergessen / daß ich mit der Person und Arbeit Herr[n] Kuhnaus bekandt wurde; und wie Vita instituenda est ellustribus exemplis, so weckte die Gelehrsamkeit / welche dieser sonderbare Mann / Nebst der Music / in der Jurisprudenz und vielen Sprachen / so gar auch in der Hebräischen / besaß / die Begierde in mir auf / daß ich einen Theil von dessen rühmlichen Qualitaeten mit der Zeit erlangen möchte.
Bach: Toccata und Fuge d-Moll für Orgel
Toccata:
Händel: Israel in Egypt, Chor "Egypt was glad", Fuga
Gruß an Paul Gabler in die Niederlande
Die Reihenfolge der Tonarten 1. e-Moll, 2. F-Dur, 3. G-Dur, 4. a-moll von Bachs "Vier Duetten" in seiner Clavierübung 3 Teil, entspicht der Intervallenfolge von einem diatonischen Tetrachord. Exempel:
Ein
Kunst-Musik-Poesie-Projekt der Universität Würzburg
von Prof. Dr. Rainer Goetz
19.11.1995 - 14.01.1996
In der Neubaukirche
Komposition: Helmut M. Timpelan
Musikalische Leitung: Richard Carson Steuart
Ausstellungskatalog mit inliegender CD: Ergon-Verlag 1995,
CD: Bayrischer Rundfunk und La Tromba
Canon perpetuum für die Schuke-Orgel der Neubaukirche aus 10 diaton.
Tetrachorden:
1. Auflösung vom obigen Canon perpetuum:
2. Auflösung:
Aus obiger Symbolkette lassen sich die 4 antiken griechischen Tonleitern resp. Modi (Tonarten)
Dorisch, Phrygisch, Lydisch und Mixolydisch ableiten:
NB! Die oben dargestellten vier antiken griechischen diatonischen Tonleitern bzw. Modi (Tonarten) 1. Dorisch: aus dem Klang e, 2. Phrygisch: aus dem d, 3. Lydisch: aus dem c und 4. Mixolydisch: aus dem h, sind n i c h t identisch mit denen der sogenannten "Kirchentonarten" gleichen Namens! Denn jene sind das Resultat von - wie es heißt - "Abschreibefehler" resp. "Missverständnissen". Dazu steht bei Wikipedia: "Erst im frühen Mittelalter kam es durch ein Missverständnis zur Verwechslung der Modi [Tonarten]" Anstatt nun diese "Abschreibefehler" resp. "Missverständnisse" zu korrigieren, wurden sie zu Dogmen erhoben und werden dementsprechend gelehrt.
So hat beispielsweise die diatonische Skala (Tonleiter) in der durch Verwechslung entstandene nicht authentischen "lydischen Kirchentonart", das "F" zum Grundklang. Da jedoch in dieser als "Lydisch" bezeichneten Skala in der 4. Stufe ein dissonierender Tritonos erscheint, sei, so wird gelehrt, die lydische Tonart für (traditionelle) Kontrapunkte ungeeignet. (Siehe dazu Knud Jeppesen: "Kontrapunkt - Lehrbuch der klassischen Vokalpolyphonie", Seite 44-46, "Die Kirchentöne", VEB Breitkopf & Härtel, Leipzig 1956).
Auch in Johann G. Wathers Musicalisches Lexicon von 1732 sind diese "Abschreibefehler" manifestiert. Kein Kirchenlied heißt es dort, stünde in der lydischen Tonart. Das ist nicht richtig. Denn Martin Luthers Weisen "Ein feste Burg" und "Vom Himmel hoch" stehen in der lydischen Tonart!
Kurz: Die Intervallfolge der authentischen lydischen Skala ist identisch mit der Intervallfolge unserer C-Dur Tonleiter!
Siehe obige Notentafel.
And ever against cating cares
Lap me in soft Lydian airs;
Soot me with immortal verse,
such as the meeting soul may pierce
In notes, with many a winding bout
Of linked sweetness long drawn out;
With wanton heed and giddy cunning,
The melting voice through mazes running
Untwisting all the chains that tie
The hidden soul of Harmony.
(John Milton /
G. Fr. Händel: L'ALLEGRO, IL PENSEROSO)
* * *
Softly sweet, in Lydian measures.
Soon he soothed his soul to pleasures
(John Dryden / G. Fr. Händel: ALEXANDER'S FEAST or the Power of Musick)
* * *
Ein Huldigungsgedicht aus dem Gentleman's Magazine vom 11. März 1742
auf Susannah Maria Cibber, für ihre Interpretation der Altsoli bei der Uraufführung von Händels Messias in Dublin:
Now tuneful as Apollo's lyre,
She stands amid the vocal choir
If solemn measures slowly move,
Or Lydian airs invite to love,
Her looks inform the trembling strings,
And raise each passion, that she sings;
The wanton Graces hover round,
Perch on her lips and tune the sound.
O wondrous girl! How small a space
Includes the gift of human race!
Offensichtlich waren den englischen Dichtern aber auch Händel der authentische lydische Modus bekannt!
https://www.youtube.com/watch?v=n-OUNpqYZjg
Maria Callas: J'ai Perdu Mon Eurydice
Über dem Molto Adagio im Streichquartett a-moll, Op.132 notiert Beethoven:
Heiliger Danksagung eines Genesenen an die Gottheit, in der
lydischen Tonart
"Von Aram stammen die Aramäer, von den Griechen Syrer genannt, von Lud die Luder, die jetzt Lyder heissen"
(Flavius Josephus: Jüdische Altertümer, Fourier Verlag Wiesbaden, 1987, S. 86) Siehe auch: Genesis 19, 22
de.wikipedia.org/wiki/Flavius_Josephus
Appendix:
Die authentische dorische Tonart und die dorische Säule
Mit der dorischen Säule begann in Griechenland die Auflösung der Starre der Klassik und zwar durch die Entasis (griech. ἔντασις „Anspannung“), also die Schwellung oder Bauchung des Schaftes einer Säule, wodurch sie zu pulsieren, zu atmen
scheint. Hervorgerufen wird sie durch eine kreisbogenförmige nicht-lineare Verjüngung des
Säulendurchmessers, die sich vor allem ab dem unteren Drittelspunkt oder der Mitte des Schafts nach oben beschleunigt. (Wolfgang Henrich)
Die Dorer waren ein griechischer Volksstamm
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